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Die Wurzeln: das Tessin und die Scuola Teatro Dimitri
Das Tessin
Im Tessin fühlt sich Claudia Howard immer noch zu Hause. Die meisten ihrer Kindheitserinnerungen verbindet sie mit "ihrem Berg". Nach der Matura wohnte sie für längere Zeit in dem dazugehörigen Dorf und verbrachte wie jeder Einheimische die Wochenenden "in montagna". Aber auch als sie nach Deutschland ging, blieb sie ihrer Heimat treu. Noch heute fährt sie jedes Jahr im Sommer zum Mähen, manchmal zur Weinlese oder zum Kastanien sammeln, im Winter zum Bäume fällen und Holz machen. In dieser Landschaft und in der Sprache ist sie tief verwurzelt, bei den Tessinern und ihren Liedern fühlt sie sich zu Hause.
Die Mischung zwischen Hochgebirge und Mittelmeerklima, die wilde und doch pralle Natur üben einen grossen Reiz aus. Während vor dem 1. Weltkrieg auf dem Monte Verità bei Ascona eine Künstler- und Naturliebhaber-Kolonie entstand, ja noch während der "Wilden Zwanziger" in Berlin, wanderten die Tessiner aus Hunger zu Fuss nach Holland, um von dort per Schiff ins gelobte Amerika zu emigrieren. Ein Land voller Gegensätze.
Wohl deshalb hat das Tessin auch schon immer viele Künstler angezogen. Hermann Hesse, Paul Klee, Alfred Andersch, Max Frisch, um nur einige zu nennen, haben im Tessin gelebt und zum Teil ihren Lebensabend dort verbracht.
Eine Landschaft, die prägt, die fordert, die inspiriert.
Eine Ruhe, die Kraft gibt, die Gesundheit stärkt, die Nerven stählt.
Scuola Teatro Dimitri
Nach dem Abitur besuchte Claudia Howard die Scuola Teatro Dimitri in Verscio im Tessin. Die Scuola Teatro Dimitri wurde 1980 gegründet und ist eine professionelle Theaterschule. Als Hauptfächer werden Bewegungstheater, Pantomime, Jonglage, Improvisation, Akrobatik und Tanz unterrichtet. Auch Theaterkreation und burleske Theaterformen gehören zum Unterrichtsinhalt, welcher darüber hinaus durch Rhythmus, Atemtechnik, Stimmbildung, Interpretation und Theorie erweitert wird.
Im Jahre 2004 wurde die Schule als Hochschule für Theater mit Schwerpunkt Bewegungstheater und Theaterkreation anerkannt.
"Ich war neben der Schule Regieassistenz und Theatermaskottchen am Stadttheater Chur, zu Hause sprachen wir Hochdeutsch, den Lehrer, der die Schultheatergruppe leitete, hatte ich rausgeschmissen und die Leitung selber übernommen. Ich inszenierte, spielte die Hauptrolle, machte das Bühnenbild und organisierte eine kleine Tournee an den Bündner Internaten. So war ich in meiner jugendlichen Arroganz der Meinung: "Eine normale Schauspielschule ist nichts für mich. Da bin ich den anderen meilenweit voraus!"
Allerdings traute ich mich nicht in die Disco, ich konnte nicht tanzen. Überhaupt fühlte ich mich als unbeweglicher Trampel. Da hörte ich von der Scuola Teatro Dimitri, Schule für Körpertheater. Das schien mir genau das richtige für mich zu sein. Ausserdem lag sie im Nachbardorf meiner 2. Heimat im Tessin, ein weiterer Pluspunkt. Ich meldete mich also zur Aufnahmeprüfung an. Sie fand zwischen der schriftlichen und mündlichen Matura statt, was mich nicht weiter störte. Wir hatten 4 Tage lang Unterricht, ich nahm jeden Tag ein Kilo ab und war glücklich.
Ich bestand. Ich, der Obertrampel, bestand auch die Probezeit. Ich war mächtig stolz! Ich wurde rank und schlank, ich schlug unentwegt Purzelbäume, jonglierte, tanzte, und mit meiner Beweglichkeit wuchs mein Selbstvertrauen.
Allerdings war für mich immer klar, dass ich nicht Seiltänzerin, Clown oder etwas ähnliches werden wollte. Ich wollte Schauspielerin werden. Aber wozu braucht ein Schauspieler Flic-Flac, Salto, Jonglage, Pantomime oder andere dem Sprechtheater ferne Fähigkeiten?
Bühnenpräsenz: Wenn ich die Bühne betrat, war ich sofort da. Ich brauchte keine Anlaufzeit.
Für mich stand am anderen Ende der Bühne der ungarische Akrobatiklehrer mit seinen kleinen schwarzen Augen und sagte: "Ein Seiltänzer, der sich nicht konzentriert, bricht sich das Genick. Ein Schauspieler leider nicht. Willst Du sterrrben, gehst du rrraus!"
Konzentration: Beim Jonglieren verliert man die Bälle, beim Sprechen vergisst man den Text, beim Tanzen verwirrt man die Kombinationen oder tritt den anderen auf die Füsse..... "Heiratest du, kriegst du Kinder...", eine andere Variante von: "Willst du sterrrben, gehst du rrraus!"
Raumgefühl, wo sind die anderen, was machen die anderen, wie liegen die Spannungen im Raum, gehe ich einen oder drei Schritte, schnell oder langsam, stehe ich frontal oder abgewendet, wie weit drehe ich mich, usw., usw.? Alles Fragen, die sich in Tanz, Improvisation und auch Pantomime allmählich lösen und ins Gefühl übergehen, zur Selbstverständlichkeit werden.
Rollenfindung: In der Improvisation habe ich gelernt, Impulsen zu folgen, sie fliessen zu lassen. Bei allen meinen Figuren habe ich zunächst wild herumimprovisiert, eine grosse Fülle an Material angelegt, um dann durch Reduktion und genaues Arbeiten allmählich das wahre Gesicht der gesuchten Rolle herauszuschälen. Weniger ist meistens mehr. Aber um das richtige zu finden, muss man vieles ausprobieren und dann wählen. Wer schon mit wenig anfängt, findet höchstens durch Zufall den Kern.
Arbeit: Was bedeutet das überhaupt? Wie oft war ich in meinen ersten Jahren am Theater von der Disziplinlosigkeit der Kollegen enttäuscht. Wenn ich etwas bei Dimitri gelernt habe, dann arbeiten. Arbeiten und Kämpfen, nie zufrieden sein, immer noch mehr wollen, immer weiter, oder: "Willst du sterrrben, gehst du rrraus!"
link: • www.teatrodimitri.ch
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